Dienstag, 13. September 2016

HarVest 2016 - der Monat danach



Dass ich nicht mehr alle Frauen und Männer, die sich durchaus mit harter Musik zu vergnügen wissen, direkt wieder ins Tal der Tränen bugsiere, folglich eine kurze und knappe Erwähnung der Hiobsbotschaft: das HarVest 2016 war das letzte seiner Art. Ein HarVest 2017 wird nicht stattfinden.

Aus diesem Grund möchte ich eine Beschreibung der Ereignisse schriftlich für die Nachwelt festhalten. Da die Anwesenheit meiner Wenigkeit am Freitag, 12.08.2016, anderswo vonnöten gewesen war – sprich ich musste kurz die Welt retten -  trudelte ich erst am Samstag, 13.08.2016, im schönen Muotathal ein. 

Jener Samstag war einer derjenigen Tage, an denen man sich wünscht, man wäre in einer Zeitschleife gefangen und könnten das Geschehene immer und immer wieder erleben.

Obwohl ich die meisten Leute nur flüchtig kenne oder bloss zwei Mal im Jahr zu Gesicht bekomme, war auch jene Reise ins Thal wie eine Art Homecoming. Die gewohnt witzige und friedliche Atmosphäre, das gewohnt sonnige Wetter, das mehr als flüchtig bekannte Eichhof und Musiktalente auf der Bühne, die mit ihrer Leidenschaft unzählige Knochenbrüche und Verstauchungen direkt fördern und mit ihrer Power für ein Wochenende alle persönlichen Sorgen und der ganze Wahnsinn auf Erden wegblasen. Nicht zu vergessen die Legenden und Fausä unter den HarVest-Besuchern.
Kurzum: Man fühlte sich auf Anhieb wohl. Wie immer.

Die Urner (mit LU Sänger) von Blow Job hämmerten bei gefühlten 66.6°C im Musikzelt pünktlich um 15.00 Uhr auf den Putz. Schade, dass viele Headbanger entweder noch die Vornacht auskurierten, sich draussen an der frischen Luft in Sicherheit wiegten oder in der Nacht von Waldtrollen verschleppt wurden und sich demnach (noch) fernhielten. Die harten Klänge amüsierten die trotzdem vor der Bühne versammelte Meute sichtlich.

Als Verantwortlicher für das HarVest-Journal hat man bekanntlich nie Ferien und als Nebenaufgabe fühlt man ab und an den Bands vor und nach den Gigs jeweils auf den Zahn. Die gut gelaunten Jungs von Blow Job waren für Fotos und Gespräche zu haben. Besten Dank noch einmal an dieser Stelle für das geile Shirt! Trotz Verlust von ca. 10 l Körperflüssigkeiten (insert Wortspiel mit Blow Job) zelebrierten die von Spongebob geführte Truppe akustische Orgasmen. Funfakt: Die am meisten gegoogelte Band aller Zeiten.

Anschliessend folgte ein streng geheimer und stundenlanger Aufenthalt im Backstagebereich. Anders als etwa die im Film Detroit Rock City angedeutete Action im damaligen Backstagebereich fehlten im Thal die eine oder andere würzige Zutat zur Vollziehung von bekannten und ominösen Skandälchen.

Die Videointerviews mit Final Cut waren so was von Weltklasse. Leider sind die extrem unterhaltsamen und erheiternden Aufnahmen zu pikant für den öffentlichen Raum – die Vertragsverhandlungen mit 2 Pay-TV-Sendern läuft auf Hochtouren. Ich ziehe meinen Hut vor den Jungs von Final Cut – musikalisch hochtalentiert, aber menschlich nicht weniger hochkarätig. Einfach geili sieche sindr. 

Zahlreiche Erfrischungen, Diskussionen mit Festivalbesuchern, Verpflegungen, Sprüche und HI 5s später startete die Jungs von Piranha ihr Feuerwerk. Im Vorfeld trafen die Songs auf ihrer Page genau meinen Nerv, weswegen ich unheimlich gespannt auf ihren Liveauftritt wartete. Boom, mitten in die Fresse rein! Das reinste Freudenfest. Oldschool-Groove à la Bay Area,  Riffs schärfer als jeder Piranhazahn und eine Stimme, die sogar Lucifer nachts Albträume bereiten würde. Eines meiner persönlichen HarVest-Highlights nicht nur an diesem, sondern über die letzten 5 Jahre gesehen. Leute, gewährt dem Universum einen letzten Wunsch, geht ins Studio und veröffentlicht Eure Scheibe – bevor Euer Sound den ganzen Kosmos sprengt.

Apropos Weltraum, der hellste Stern am Deutschen Talenthimmel ist derzeit wohl Dust Bolt. Wer sich die Ankunft der Newcomer gedanklich in einem Cadillac Escalade mit Fahrer, vielen Bodyguards und amüsanter Gesellschaft ausmalte, hat einen Sprung in der Schüssel. Die Herren aus Bayern nahmen das Steuerrad selbst in die Hand und cruisten durch die Schweiz.

Die erste internationale Nummer an einem HarVest bestach schon vor dem Auftritt mit ihrer lockerer und sympathischen Art. Unvergesslich bleiben die Videointerviews – wenn Dust Bolt eines Tages um die Welt jettet und grosse Arenen füllt, zeigen Cornel Suter und ich unseren Kindern die beschriebenen Videoaufnahmen, nur um anzugeben „xender, die säbe känni de scho“.
Völlig perplex sitze ich jetzt vor dem PC und wundere mich, wie und warum zur Hölle die Berge rund um die Balm nach der Liveschlacht von Dust Bolt noch stehen? 

Ein gigantischer Angriff auf Seele und Körper brach sofort jeden Widerstand, über die Tonkunst der Protagonisten ein negatives Urteil zu fällen.  Die Show offenbarte, warum die euphorische Begeisterung von Fans und Kritikern zu Recht wächst und wächst. Holy Shit war das geil! Bis zum nächsten Gig in der Schweiz!

 Jetzt brauchte ich definitiv eine Pause. Danke an die Herren am Grill für was exquisite Schnitzelfleisch. Die Sauce war extravagant. 

Weitere Interaktionen mit dem Publikum waren göttlich. Die Kampagne für BMT, Diskussionen über die Verwandlung und Akzeptanz innerhalb der Gesellschaft, Blink 182 und der ganze Gesprächsstoff, der hier nicht genannt werden will. Beer, Metal, Rock’n’Roll halt. Korrektur: HarVest halt.

Erst kurz vor dem letzten Auftritt fand ich den Weg zurück ins Zelt. Final Cut zerlegten Zelt, Bar und HarVestbesucher. Hart aber herzlich. Die Atmosphäre war laut, ausgelassen und auf dem Höhepunkt der menschlichen Evolution.  Mit Herzblut, Passion und kompromissloser Musik verzauberten sie das HarVestpublikum zum allerletzten Mal. Ein grosser und würdiger Abschluss eines beispiellosen Festivals. 

Vielen Dank an alle Besucher, Musiker, Helfer, Gönner, Unterstützer und allen voran Piri für die Organisation! Mit Wehmut, aber auch Freude, schaue ich auf 5 HarVest voller Anekdoten und wunderbaren Erinnerungen zurück.  It’s been a hell of a ride.

PS: Der einzige negative Punkt war der Umstand, dass ich nicht alle Bands live erleben durfte/konnte. Nidhoeggr, Final Crusade, Abinchova, Excruciation... see ya another time!