Erst noch anfangs Februar triumphierten Tom Brady und seine New England
Partriots im Super Bowl XLIX gegen den Titelverteidiger aus Seattle.
Warum man damals bei 2nd and Goal (1 yard(!!!) entfernt, beim Stand von
28:24 und mit rund 20 Sekunden zu spielen) ein Wurfversuch unternahm -
statt das Ei am bereitstehenden Beast Mode in die Hand zu drücken -
wissen weder die Götter, noch Waldtrolle in Finnland, noch Tom Selleck.
Schlimmer: Giorgios Samaras verfolgte das Endspiel nicht einmal.
Nichtsdestotrotz feilen die 32 NFL-Teams bereits eifrig an ihren Kadern
für die neue Saison. Am 10. März startet die Free-Agent-Periode
offiziell und Ende April geht der diesjährige Draft in Chicago über die
Bühne. Bereits an dieser Stelle sei eine verrückte und turbulente
Preseason prophezeit.
Free-Agent? Draftpick? Chicago? Bahnhof!
Um die Begriffe zu definieren, müssen wir zuerst einen Blick auf das System der NFL werfen.
Die NFL ist in zwei Konferenzen (Conferences) unterteilt: American
Football Conference und National Football Conference. Die AFC und NFC
bestehen je aus vier Divisionen (North, South, West, East).
Die 32 NFL Teams verteilen sich demnach auf acht Divisionen.
Ab August geht's während der Preseason richtig zur Sache, wenn die Teams
sich gegenseitig zum Tanz bitten - wenn auch nur in Form von
Testspielen. Während vier Partien nutzen die Organisationen die
Gelegenheit, um denjenigen Akteuren die Möglichkeit zu geben, ihr Können
unter Beweis zu stellen, die sonst spärlich zu Spielpraxis gelangen
(Ersatzspieler, Leute mit schlechtem Draht zur Verletzungshexe) oder
noch keine NFL-Erfahrung (undrafted/ kürzlich gedrafted) ausweisen
können. Experimente im und rund um den Roster. Hier entscheidet, wer den
letzten Cut übersteht und wer sich einen neuen Arbeitgeber suchen muss.
Anfangs September nehmen dann die gesetzten Leute, Stars und Superstars
wieder vermehrt am Spielgeschehen teil, denn dann ist Football-Time! Der
Start der Regular Season versammelt mehr Leute vor ihren Fernsehern als
zu Weihnachten Leute in Kirchen Platz nehmen.
Insgesamt ziehen die NFL Organisationen, innerhalb von 17 Wochen, 16 Mal
in die Schlacht, um die äusserst begehrten Playoffplätze zu ergattern.
Heavy: Nur die jeweiligen Divisionssieger (je 4 in AFC und NFC) und je
die beiden weiteren besten Teams (Wildcard-Teams) treten in den Playoffs
um den Super Bowl an. Wenn ich richtig mitgezählt habe, stellen die
Conferences total 12 Playoffteilnehmer.
Pro Conference erhalten die zwei in der Regular Season bestplatzierten
Teams in der ersten Runde ein Freilos. Ein traditionelles "europäisches"
K.O.-System herrscht ab Runde 2.
Wie an der Fussball-WM entscheidet bloss eine Begegnung über "frühzeitig
ab in die Ferien" oder "Extraschicht Sport". Kein Best-Of-7-Serie,
sondern Hochspannung und Herzschlagpartien ist hier angesagt.
Wichtig zu wissen, ist, dass beide Konferenzen ihren Champion
ausspielen. Der Meister der AFC und der Sieger der NFC treffen im Super
Bowl aufeinander. Traditionell am ersten Sonntag im Februar.
Wie sieht es am Ende der Nahrungskette aus?
Anders als im europäischen Fussball etwa steigen keine Teams ab. Keine
Abstiegsangst? Diese Tatsache wäre in der Tat Balsam für die Seele für
gewisse FC Aarau- und HSV-Anhänger. Jedoch auch keine Aufstiegs- resp.
Klassenerhaltparties. Wir wissen: Jeder Mensch liebt Aufstiegsfeiern!
Quintessenz: Die 32 Teams in der NFL sind grundsätzlich beständig.
Ausnahmsweise kann es passieren, dass es einigen Besitzern zu bunt wird
und sie ihr Team verkaufen. Salopp gesagt entscheidet dann der Käufer,
in welcher Stadt, unter welchem Namen und in welchen Farben der Verein
von nun an operieren wird. Natürlich immer nach Rücksprache mit der
Liga.
1997 zogen die Houston Oilers über Memphis nach Nashville und erregen
heute kein Aufsehen als Tennesse Titans. Ein Jahr zuvor verliessen die
Cleveland Browns ihre Heimstätte und zelebrieren seitdem grosse Erfolge
als Baltimore Ravens.
Free-Agents
Wie auch Kicker des runden Leders (hoffentlich) über Verträge verfügen,
binden sich NFL-Spieler für eine vertraglich festgeschriebene Dauer an
einen Klub. Läuft der Vertrag aus und wird nicht verlängert oder gibt
der Verein den Spieler aus dem Vertrag frei, so ist der Athlet
vertragslos (Free-Agent). Das hat zur Folge, dass Free-Agents von
anderen Vereinen kontaktiert und mit Offerten und neuen Verträgen
überhäuft werden dürfen.
Bei mehreren Interessenten gilt, wie in der Privatwirtschaft, die
Nachfrage bestimmt das Angebot. Für Stars das Eldorado zum Abkassieren.
Es regnet zwar Geld, aber ob der Spieler dann auch effektiv zum Team
nach Wahl wechselt, hängt davon ab, ob er ein unrestricted free agent
(UFA) oder restricted free agent (RFA) ist.
Als UFA kassiert er nicht nur die Millionen, sondern läuft alsdann auch
für jenes Team auf, welches das Papier mit seiner Unterschrift besitzt.
Bsp: Folgende Offerten liegen auf dem Tisch. Chargers 3 Jahre/12 Mio
$, Falcons 2 Jahre/8 Mio $ und Dolphins 1 Jahr/6 Mio $. Der vereinslose
CB Williams (UFA) hat die Qual der Wahl. Angenommen, er entscheidet sich
für die Dolphins. Mit seiner Unterschrift besiegelt er den Wechsel nach
Miami.
Handelt es sich um einen RFA, darf er zwar andere Vertragsangebote
innerhalb der Liga einholen und akzeptieren, aber nur dann explizit auch
wechseln, sollte ihm sein aktuelles Team nicht binnen fünf Tagen einen
neuen Vertrag mit denselben Bedingungen, wie von der anderen
Organisation vorliegend, unter die Nase halten (right of first refusal).
Sonst bleibt er, meist sehr gut verdienend, dem Verein erhalten.
Bsp: CB Williams (RFA) tackelte bisher für die NY Giants. Noch immer
bieten die Dolphins 1 Jahr/6 Mio $. Der Cornerback willigt ein. Falls er
nun von den Giants innerhalb von fünf Tagen dasselbe Angebot von 1
Jahr/6 Mio $ erhält, verbleibt er im Big Apple. Sonst geht's an die
sonnigen Strände von Miami.
Trades
Ein weiterer, signifikanter Unterschied zu Ronaldo, Messi und Co. ist der Trading-Aspekt.
Aber was passiert, wenn man einen Quarterback unbedingt holen möchte,
der noch einen gültigen Vertrag besitzt? Muss man das Portemonnaie
öffnen und exorbitante Transfersummen wie Man City und Real Madrid
zahlen? Nein, Transfersummen existieren so in der NFL nicht.
Stattdessen tauschen die Vereine Akteure (und ihre
Vertragskonditionen/Gehalt) oder Kompensationen (Draft-Rechte)
untereinander.
Kürzlich sendeten die Philadelphia Eagles ihren alternden
Star-Runningback LeSean McCoy zu den Bills nach Buffalo im Tausch für
Linebacker Kiko Alonso.
Obwohl McCoy eine Maschine ist, wird seine Produktivität in den nächsten
Jahren deutlich nachlassen, da er bereits schon etliche Yards und Miles
in den Beinen hat. In Anbetracht seines Gehaltes und der Tatsache, dass
sich im diesjährigen Draft talentierte Runningbacks tummeln, sicherlich
kein schlechter Zug von den Eagles.
Nächstes Mal sezieren wir das Draftsystem und setzen uns mit den
gängigsten Begriffen auseinander. Weiter sind Snaps in den Thematiken
Salary Cap, Aufstellung und natürlich ein Überblick über oft verwendete
Ausdrücke geplant.
Um eine Frage in der Einleitung vorweg zu nehmen: Chicago gehört zu den
grössten und - je nach Auskunftsperson - schönsten (gemäss Al Capone)
Städten der USA. Als Heimat der Bears waren sie, zumindest
NFL-technisch, letzte Saison irrelevant.